Ich hatte gerade meinen 1a-Führerschein in "Bearbeitung" als ich die lokalen Inserate für Motorräder durchsuchte. Über einige "Gebrauchtkauf"-Hefte und "Gebrauchtkauf"-Bücher hatte ich mich grob informiert und auch schon einige Bikes in die nähere Auswahl aufgenommen. Eine Enduro sollte es sein, und möglichst ein "Eintopf". Da ich mehr Wert auf Drehmoment im unteren Drehzahlbereich lege als auf PS, war mir auch klar, daß ich mit den Kubik nicht zu sehr knausern durfte.

Ich fand ein Inserat, in dem eine Ténéré XTZ-660 zu einem recht günstigen Preis angeboten wurde. Nach einer kurzen Phase des Zweifels, ob ich jetzt schon ein Motorrad brauchte, beantwortete ich die Frage mit "ja" und rief an.
 
Ein Besichtigungstermin wurde ausgemacht und ich mobilisierte einen guten Freund zum Probefahren der Maschine, da ich ja noch keinen Führerschein hatte. Natürlich war ich zum Besichtigungstermin völlig aufgeregt. Gibt es Liebe auf den ersten Blick? Ja, es gibt sie. Als ich die Ténéré ansah, war es auch schon zu spät. Bedenkzeit bis morgen? Ging glatt, eine Stunde später rief ich den Vorbesitzer an um den Kauf komplett zu machen.
Kurz danach stand die Ténéré hier. Mir war klar, daß ich bei der Sitzhöhe ein Problem hatte. Ich drehte das hintere Federbein herunter auf die weicheste Einstellung und besorgte mir vom Götz-Versand einen Sitzbankbausatz. Den Schaumstoff bearbeitete ich so nach, daß ich noch ein bißchen tiefer sitzen konnte. Zusammen mit Uschi fertigten wir dann unsere erste Sitzbank an. Es war eigentlich gar nicht so schwer, das Ding neu zu beziehen.
Damit war das Problem gelöst. Als nächstes kamen GIVI-Kofferträger und ein Topcaseträger dazu. Eine Wechselsprechanlage war von mir sowieso immer als ein Muß beim Motorrad eingestuft worden. So vorbereitet stand die Maschine in der Garage und wartete darauf, daß ich meinen Führerschein bekommen würde. Im August 1996 war es dann so weit.
Die ersten Fahrversuche waren nach Albatross-Art. Ich mußte lernen, daß ich beim Anhalten nicht neben eine Mulde "parke", da sonst mein Fuß keinen Boden bekam. Abgesehen von diesen Anfangsschwierigkeiten wurde jeder Meter zum Genuß.
Mein Suchtverhalten verstärkte sich mit jeder Fahrt.
Die erste Fahrt mit Uschi
Bevor ich mich zu zweit in den Verkehr wagte, probierten wir das Fahren zuerst auf dem Verkehrsübungsplatz. Ich hatte einfach Bedenken, Uschi durch meine Unerfahrenheit durch die Gegend zu würfeln. Aber es ging besser als ich gedacht hatte. Uschi ist eine sehr gute Mitfahrerin. Und so kam es daß wir auch schon unsere ersten Touren machten. Uschi wurde auch kurvensüchtig. Unsere ersten Fahren gingen auf Landstraßen, die so schmal und verwinkelt waren, daß ich nach 8-9 Stunden Fahrt wirklich nichts mehr brauchte. Unser Stundenschnitt betrug, mit Pausen gerechnet 30-40 km/h. Mehr war nicht drin. Dafür schafften wir es auch an warmen Wochenenden durch die Fränkische Schweiz zu düsen, ohne einem einzigen Motorradfahrer zu begegnen.
Erst später nahmen wir auch einmal ein paar breite Bundesstraßen unter die Räder, was natürlich auch unseren Schnitt hob.
Ich finde den Sitzkomfort zu zweit auf der Ténéré einfach himmlisch. Das Motorrad ist trotz des hohen Schwerpukts handlich und "ehrlich" was das fahren und die Reaktionen betrifft. Längere Standzeiten mag sie nicht. Da wird sie gern sauer und verweigert den Start. Dies ist zum großen Teil auf das Süffbenzin in der Schwimmerkammer zurückzuführen. Läßt frau die Schwimmerkammer über das Ventil ab, und läßt neues Benzin in den Vergaser, ist der Start schon so gut wie in der Tasche.
Anders als bei vielen Straßenbikes oder Choppern sitzt die Fahrerin bei der Ténéré wirklich auf dem Motorrad. Es entsteht das Gefühl des Schwebens, ein Zwischending zwischen Fliegen und Reiten - einfach unbeschreiblich. Sind die Verkleidungsteile erst einmal mit Schaumstoff unterklebt, um die Vibrationen zu dämpfen macht dahingleiten ungetrübten Spaß.

Einige Abstriche sind dann doch an anderer Stelle zu machen: schrauberfreundlich ist sie nicht gerade. Die Japaner haben entweder Gummiknochen oder sie sind sehr zukunftsorientiert und beamen so Teile wie Zündkerzen oder auch das Kühlwasser einfach aus der Maschine. Nur so ist es zu erklären, daß der Ölpeilstab sinnigerweise oben zwischen Lenkkopflager und Tank versteckt ist. Wer jetzt denkt, daß man praktischer Art damit das Öl während der Fahrt nachgucken kann, der hat geirrt. Wird der Verschluß nicht wieder superfest gezogen, bekommst Du bei der nächsten Fahrt einen Krümmer mit Zwangsölung und damit verbunden einen Kondensstreifen von hier bis nach Tokio.
Als es mir passierte, dachte ich: "selber schuld, warum auch so neugierig die Nase in Sachen stecken, die die Techniker so liebevoll und aufwendig versteckt haben". Ob ich sie wieder kaufen würde? Ja, uneingeschränkt!

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